Mein erster „kleiner“ Ultralauf

Wo fangen eigentlich die Ultraläufe an? Für manche sind schon 10km unendlich weit, andere denken da wohl eher an 100km und mehr. Ich für meinen Teil ziehe die Linie bei genau 42,195km. Alles was darüber hinaus geht, liegt im Bereich Ultra.

 

Meine bislang längste Strecke, die ich jemals gelaufen bin, ist der Marathon. Das aber in den verschiedensten Ausführungen. Flach und schnell mit einer 2:47h oder auch in den Bergen mit zusätzlichen 2000 Höhenmetern. Aber auch hier war nach 4:30h Laufzeit – Feierabend.

Da im Oktober für mich wieder die Tour de Tirol das Highlight des Jahres werden soll und ich um die Härte des Kaisermarathons weiß – habe ich in diesem Jahr mein Trainingsprogramm etwas verändert. Viele lange Einheiten, die nicht so sehr auf Geschwindigkeit, sondern eher auf Durchhaltevermögen und mentale Stärke ausgerichtet sind.
 

Was passt da besser als ein 6 Stunden Lauf. Die mentalen Fähigkeiten, die ich beim Kaisermarathon am Schlussanstieg (700 Höhenmeter auf 3km) auf jeden fall brauchen werde, kann man hier am besten trainieren – dachte ich. Denn wenn der Körper nach 4 Stunden Laufen eigentlich platt ist, stehen immer noch 2 Stunden auf der Uhr.

Außerdem bin ich so gestrickt, dass mich solche Herausforderungen unheimlich motivieren und ich eigentlich nicht an das Scheitern denke, sondern mich auf das Neue und Unbekannte freue.
 
So ging es also am 7. September nach Bernau. Jährlich finden dort die 24 Stunden von Bernau statt. Also richtiges Ultralaufen. Die 6 Stunden werden praktisch als Bambinilauf mit angeboten. Wie auch schon beim KnappenMan 2 Wochen zuvor, bauten wir auch hier unser Jolsport Zelt im Start-/ZielGebiet auf. Bianca managte den Stand während Axel und ich uns die 6 Stunden gönnten.
 

Punkt 14 Uhr wurden alle Läufer der 6h und 24h auf die Reise geschickt. Der erste grundlegende Unterschied zu „normalen“ Läufen ist das Tempo mit dem man loslegt. Gemütlich ging es los, wie bei einem lockeren Trainingslauf. Mit 5:30min/km trabten Axel und ich die ersten 10km locken durch Bernau. Eine 1,6km lange Runde musste immer wieder durchlaufen werden. Diese hatte dazu noch recht fiese 7 Höhenmeter, die nach 5 Stunden immer steiler und schwerer werden.

Nun sind 5:30min/km eigentlich so langsam, dass ich sie nicht mal im Training laufe. Ich fühlte mich nicht richtig wohl. Musste immer wieder meine Schrittlänge absichtlich verkürzen. Also entschied ich mich kurzerhand etwas schneller zu werden. Ich ließ mich ganz vom Gefühl tragen und pendelte mich so bei 4:40 bis 4:50min/km ein. Sozusagen Wohlfühltempo. Das lief ich dann Runde für Runde.

Irgendwann, ich glaube nach 3 Stunden, registrierte ich, dass im Start-/Zielgebiet ein Monitor für die Läufer angebracht war, wo die derzeitige Position im Rennen zu erkennen war. Beim ersten flüchtigen Blick glaubte ich meinen Namen auf Rang 3 erkannt zu haben. Konnte das sein? Ich lief die Runde zu Ende  und schaute nocheinmal. Tatächlich Platz 3 und die beiden vor mir waren anscheinend in der gleichen Runde wie ich – nur wenige Meter vor mir.

Nun war ich plötzlich in einer Situation, die ich eigentlich garnicht wollte. Es sollte ein lockerer Trainingslauf werden. Wenn man jedoch mitten im Rennen registriert, dass man an diesem Tag um die Podestplätze mitkämpfen kann, dann erwacht plötzlich doch der Kampfgeist. Unbewusst steigerte ich das Tempo. Erst viel später nach dem Rennen wurde mir klar, dass ich zu jener Zeit der schnellste Läufer im Rennen war. Da ich meine Konkurrenten nicht kannte und auch noch viele 24h Läufer und auch Staffelläufer auf der Strecke waren, musste ich mich bei den Durchläufen am Monitor orientieren.
 

Irgendwann stand mein Name auf Platz 2 und schließlich ganz oben. Das muss so ungefähr bei der Marathondistanz gewesen sein. Der Sprecher registrierte dies nun auch und begrüßte mich nun ab und an als Führenden beim Durchlaufen von Start- u. Ziel. Ein irres Gefühl.

Nach 4 Stunden begann dann das Kopfkino. Es war jener Bereich der nun absolutes Neuland war. Und auch die gelaufenen Kilometer summierten sich weiter auf. Jeder nun gelaufene Kilometer war ungewohnt und tat nun auch immer mehr weh. Genau das was ich trainieren wollte, setzte nun ein – Müdigkeit, Kräfteverschleiß und der Wunsch auch mal ein paar Schritte zu gehen. Bis auf eine kleine Ausnahme von ca. 50m bin ich jedoch die Strecke durchgelaufen, klar irgendwann gingen die Kilometerzeiten merklich in den Keller. Dennoch ich konnte den Kampf gegen die innere Stimme gewinnen. Oft hört man, dass alle möglichen Ausdauerleistungen reine Kopfsache sind. Und ich muss sagen, da ist was dran.
 

Irgendwann hatte ich alle Teilnehmer des 6 Stundenlaufes ein oder mehrmals überholt. Nur der Zweitplazierte lief noch in einer Runde mit mir. Nach 50km überrundete ich auch ihn und konnte nun mein Tempo entsprechend anpassen, dass der Vorsprung konstant blieb.

Wie erschöpft man ist, merkt man daran, dass es am Ende schwer ist eins und eins zusammen zuzählen. Um die Langeweile in Grenzen zu halten, rechnete ich am Anfang nach jeder Runde die gelaufenen Kilomter zusammen. Nach spätestens 4 Stunden kann man dies jedoch vergessen. Scheinbar ist das menschliche Gehirn in diser Ausnahmesituation dann anderweitig beschäftigt. So merkte ich nicht, dass ich mich der 70km Grenze langsam näherte.
 

Beim letzten Zieldurchlauf registrierte ich, dass ich noch ca. 8 Minuten Zeit hatte zu laufen (bei einem 6 Stundenlauf müssen alle Teilnehmer nach 6 Stunden stehenbleiben und es werden die letzten Meter ausgemessen). Ich wollte jedoch so schnell wie möglich auf einen Stuhl und nicht irgendwo auf der Strecke warten bis jemand kommt. Also lief ich die letzte Runde noch einmal richtig flott (immerhin ca. 5min/km). Und genau 4 Sekunden vor Ablauf der 6 Stunden erreichte ich die Ziellinie.

Unglaubliche 69,469km sind es geworden. Ich kann diese Zahl immer noch nicht ganz fassen. Hätte im Traum nicht daran gedacht jemals so weit zu laufen. Der Abend wurde noch lang, schließlich galt es noch die 24h Läufer und auch die vielen Staffelläufer anzufeuern. Außerdem wirkt so ein Lauf mental noch nach, der Körper braucht einige Zeit bis er wieder „runtergefahren“ ist.