KnappenMan XXL – es ist geschafft!

Bewusst habe ich erst einmal einige Tage vergehen lassen. In der ersten Euphorie neigt man oft zu Übertreibungen, was natürlich auch für den umgekehrten Fall gilt. Aber auch mit einigem Abstand hat sich nicht viel an den erlebten Eindrücken geändert.

IMG-20140830-WA0000Der 30. August 2014 bleibt ein unvergessener Tag in meinem Sportler-Leben. Ich habe mein großes Ziel „einfach Ankommen“ mit einer 10:33h nach 226km erreicht, nicht locker und leicht, dass auf keinen Fall, aber auch nicht so, dass es meine letzte Langdistanz war. Im Gegenteil kurz nach dem Finish nahm ich den Stift in die Hand und füllte die Anmeldung für 2015 aus.

Am 30.8. schloss sich ein Kreis, der im Vorjahr an gleicher Stelle begonnen hatte. Ebenfalls beim KnappenMan bestritt ich mein erstes Triathlonrennen überhaupt. Es war die halbe Langdistanz – 70.3. Der Entschluss dazu fiel relativ kurzfristig ein paar Wochen zuvor. So ging es damals mit minimaler Vorbereitung und ohne Erfahrungen auf die Strecke. Schon im Ziel war mir damals klar, Triathlon und ich das passt zusammen. Eine späte Liebe… war ich doch in den letzten Jahren ausschließlich als Läufer unterwegs.

Die Bewunderung und Faszination der Tri-LD Athleten war irgendwie schon immer da. Bilder aus Hawaii taten ihr übriges dazu. Die Frage, ob man selbst im Stande ist, dies auch einmal zu schaffen, stand daher schon immer im Raum. Mit der Euphorie des ersten Tri-Zieldurchlaufes entschied ich mich relativ spontan im Herbst 2013 für das Abenteuer KnappenMan XXL 2014. Die folgenden Monate brachten mein gewohntes „Läufer-Leben“ ziemlich durcheinander und ich begann in dieser für mich neuen Sportart praktisch bei Null.

Selbst das Minimalziel „Ich will ankommen“ muss entsprechend vorbereitet werden. Der Aufwand sollte sich aber auch irgendwie in das normale Leben integrieren lassen.  Es galt die Zeiträume für das Training anders als bisher zu organisieren. War es in den letzten Jahren „nur“ das Lauftraining, so sieht ein Triathlon Trainingsplan doch ganz anders aus. Letztendlich war der Zeitaufwand dann doch um einiges höher als in den Jahren zuvor. Dennoch ließ sich auf meine gute Grundlagenausdauer ganz gut aufbauen. Im Laufe des Jahres nutzte ich einige kürzere Duathlon und Triathlon Wettkämpfe von der Olympischen bis zur Mitteldistanz, um gewisse Abläufe einfach unter Wettkampfbedingungen zu testen. Mit jedem Wettkampf wuchs die Sicherheit und auch die Liebe zum Triathlon.

So ging es relativ unspektakulär durch das (Sport)-Jahr 2014. Bedingt durch viele berufliche und familiäre Termine musste der „perfekte“ Trainingsplan immer wieder angepasst werden. Viele Einheiten mussten ausfallen oder irgendwie modifiziert werden. Der letzte Aufreger kam dann pünktlich 16 Tage vor dem Tag X. Der Hals kratzte und eine leichte Erkältung mit einem fiesen Reizhusten stellte sich ein, der mich bis zum Wettkampftag begleitete.

Die Wetter Aussichten für den 30.8. waren durchwachsen. Ein wolkiger Tag mit etwas Regen sollte es werden… naja wurde es auch.

IMG_60379676778992Nach einer schlaflosen Nacht, war ich dann pünktlich um 5.45 Uhr beim Check-in. Es hatte schon irgendwie etwas skurriles, praktisch im Dunkeln fing die Vorbereitung auf diesen längsten Tag des Jahres an. Der Himmel war wolkenverhangen, so dass alles noch einen Touch dunkler wirkte. Die letzte Stunde verging dann recht zügig. Kurz vor 7.00 Uhr trafen sich dann ca. 50 verrückte oder begeisterte Triathleten (ganz wie man will) am Strand, um diesen Tag in Angriff zu nehmen.

War vor einem Jahr das Schwimmen noch der größte Unsicherheitsfaktor, so hatte ich in diesem Jahr ein gutes Gefühl. Gerade im Schwimmbereich hatte ich viel gearbeitet. Ein exakt vermessener 1,9km Dreieckskurs war 2x zu durchschwimmen. Nach der ersten Runde ging es kurz aus dem Wasser raus und dann durch das Start-Tor erneut ins Wasser. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte knapp 35 min. Wow. Im letzten Jahr bei der Mitteldistanz kam ich völlig platt nach knapp 45min aus dem Wasser. Das sorgte für die nötige Motivation für die zweite Runde. Diese lief nach dem gleichen Schema… locker schwimmen und nicht verkrampfen. Nach 1:10h waren die ersten 3,8km des Tages geschafft. Viel schneller als ich es mir im besten Fall ausgerechnet hatte.

Der Wechsel auf das Rad zog sich dann etwas hin. Zum Einen wollte ich Hektik bewusst vermeiden. Was sind schon ein paar Sekunden in Anbetracht der Gesamtdauer des Rennens. Zum Anderen entschied ich mich noch ein paar Armlinge und eine Weste überzustreifen. Es war noch ziemlich kühl an diesem Morgen und Regen setzte ein.

Auf den ersten 60km gab es dann ordentlich was auf die Mütze von oben. In einigen spitzen Kurven musste man nun höllisch aufpassen. Im Verlauf des Radpartes kam dann doch die Sonne langsam raus und die Straße trocknete ab. Nach und nach flogen dann auch die zusätzlichen Sachen in Richtung Betreuer.

Auf dem Rad legte ich dann wohl auch die Grundlagen für ein ziemlich durchwachsenes Marathonrennen. Das die gesamte (feste) Nahrung nur auf dem Rad vernünftig aufgenommen und hoffentlich auch einigermaßen verdaut wird, war klar. Im Vorfeld hatte ich einige Riegel, Gels und Getränke getestet und mir eine Strategie zurecht gelegt. In festen zeitlichen Abständen nahm ich immer wieder etwas zu mir. Ich weiß nicht warum, aber irgendwann zur Hälfte des Rennens griff ich am Verpflegungsstand noch zusätzlich zur Banane. Es war irgendwie das schlechte Gewissen zu wenig auf dem Rad zu essen. Bis zum Ende der 180km schob ich so zusätzlich zum Plan 2 Bananen rein. Im Nachhinein echt blöd von seiner Strategie abzuweichen, aber während des Rennens herrscht wahrscheinlich Blutleere im Hirn und man tut seltsame Sachen.

Mit einer durchschnittlichen Rad-Zeit von 5:21h beendete ich die 180km und schob mein Rad hinein in die Wechselzone zum letzten Wechsel. Eigentlich sollte nun für mich als Ex-Läufer der leichteste Teil der Langdistanz folgen. Klar Marathon ist schwer, erst Recht mit entsprechender Vorbelastung, aber nach unzähligen Marathons hat man so etwas wie Routine – denkt man. Aber es gibt halt immer wieder neue Situationen auf die man sich einstellen muss.

IMG-20140831-WA0001Schon auf den ersten Metern merkte ich, dass es nicht leicht werden würde. Mein Magen sendete keine guten Signale. Er fühlte sich verkrampft an und ich hatte das Gefühl gerade eine riesige Mahlzeit eingeschoben zu haben. Jeder Schritt tat weh und durchzog den gesamten Rumpf. Ein Laufen mit permanenten Seitenstichen – so fühlte es sich an. Leider zog sich dieses Gefühl fast durch den gesamten Marathon. Erst ab Kilometer 35 war wieder halbwegs vernüftiges laufen möglich. Und so war die letzte Teilstrecke des Tages ein absoluter K(r)ampf. Wenn gar nichts geht, muss man versuchen in möglichst kleinen Abständen und Zielen zu denken. Das tat ich dann auch. Ich hangelte mich von VP zu VP. Mehr als ein kleiner Schluck Wasser war jeweils nicht drin. Aber ein kühlender Schwamm war immer ein lohnendes Ziel.

Hatte ich anfangs wirklich große Zweifel, ob ich den Lauf unter diesen Bedingungen bis zum Ende durchbringe, wurde meine Zuversicht von Runde zu Runde größer. Eine 10,5km lange Schleife war insgesamt 4x zu durchlaufen. Auf der letzten Runde setzte dann das ein, was wohl den Reiz einer solchen Langdistanz ausmacht. Jeder Schritt, der mich näher in Richtung Ziel brachte, setzte im Körper Endorphine frei. Der schleppende und quälende Gang ging wieder in einen flüssigen Laufstil über. Plötzlich waren die Probleme der letzten Stunden wie weggeblasen. Es ist schier unglaublich, was in dieser Zeit im Körper abgeht. Wie im Rausch ging es auf die letzten Meter. Da war es also das Gefühl von dem man schon soviel gelesen und gehört hat. Ein Wahnsinn.

IMG-20140830-WA0004Beim Zieleinlauf warteten bereits meine beiden Jungs auf mich und liefen die letzten Meter mit mir zusammen ins Ziel. Die Anspannung der letzten Wochen und Monate löste sich mit einem Schlag und ein paar Freudentränen flossen schon vor dem Zielstrich. Nach 10 Stunden 33 Minuten und 46 Sekunden war der längste Tag des Jahres für mich geschafft. Das Dauergrinsen ging erst nach einigen Tagen langsam wieder aus dem Gesicht.

Es war ein unvergesslicher Tag. Mit Sibylle und Tino waren noch zwei bekannte Gesichter unterwegs. Auch für Tino war es die Premiere. Das Gute an Rundkursen ist, dass man sich im Laufe der Zeit immer wieder begegnet. So konnten wir uns gegenseitig immer wieder pushen und motivieren. Danke an Sibylle und Tino für diesen gemeinsamen Tag, der einfach geil war.

Apropros Dank. Der größte Dank gebührt wohl meiner Kerstin, die mich auf dem Weg zum Ironman unterstützt hat. Der zeitliche Aufwand der letzten Monate war schon enorm. Und so wie der Formaufbau schwankt, so schwankt auch die Stimmung eines jeden Sportlers. Immer wieder Motivationslöcher, Selbstzweifel und totale Erschöpfung nach hartem Training. All das zu Ertragen war sicher nicht einfach. Ich weiß nicht, ob dies beim zweiten Anlauf besser werden wird, aber ich werde mich bemühen… Im endorphin-gesättigtem Zustand habe ich mich doch glatt für 2015 wieder angemeldet.