Tour de Tirol 2018

Auf dem Weg zur Kaiserkrone 2019

Nachdem ich in den letzten beiden Jahren meinen Fokus etwas mehr in Richtung Triathlon geschoben hatte und ich stets im Oktober mit einem weinenden Auge zur Tour de Tirol geschaut hatte, stand sie für 2018 wieder ganz oben auf der Liste.

Zum einen ist es meine absolute Lieblingsveranstaltung. Unangefochten. Es ist die Mischung aus Land, Leuten und der Mega Herausforderung an drei Tagen am Limit zu laufen. Es ist der innerliche Drang sich an seinen Grenzen zu bewegen und diese zu überschreiten. Das macht den Reiz aus. Das Gefühl, nach 75km und 3500Hm das Ziel zu erreichen, ist einfach unbeschreiblich.

Zum anderen ist die Tour de Tirol seit drei Jahren die sportliche Qualifikationshürde für die Kaiserkrone, einem Extremlauf über 58km und 3500Hm rund um das Massiv des Wilden Kaisers im Juli des Folgejahres. Das Teilnehmerfeld ist mit ca. 50 Teilnehmern streng limitiert. Qualifizieren kann man sich nur mit einer Gesamtzeit von unter 9h bei der Tour, verbunden mit einer Top-Plazierung in der Altersklasse. Zusätzlich braucht man auch noch etwas Losglück um unter den Glücklichen (oder Verrückten) zu sein, die an den Start gehen dürfen.

Es gibt diesen Extremlauf erst seit 2017. Seit ich davon gehört hatte, ließ mich der Gedanke daran nicht mehr los. Für dieses Jahr stand daher die Tour de Tirol als absolutes Saisonhighlight früh fest.

Allein die Tour ist ein Laufevent bei dem man an seine absolute Leistungsgrenze gehen muss. Dies nur als Qualirennen zu bezeichen, grenzt schon an Wahnsinn. Wenn man jedoch bedenkt, welche Anforderungen die Kaiserkrone stellt, wird schnell klar, warum es diese hohe Qualihürde gibt.

Wer die Tour de Tirol nicht kennt… Es ist ein dreitägiges Laufevent, welches am Freitagabend mit dem Söller Zehner (10km bei 300Hm) startet. Hier kann man bereits alle Hoffnungen auf eine erfolgreiche Tour begraben, wenn man getrieben von zuviel Ehrgeiz an seine Leistungsgrenze geht. Denn am nächsten Tag wartet mit dem Kaisermarathon der eigentliche Höhepunkt der Tour. 2345 Höhenmeter bergauf und auch knapp 1000 Höhenmeter bergab, machen deutlich, warum es wichtig ist am Freitag Kräfte zu sparen. Aus gewonnenen Sekunden beim Söller Zehner werden schnell verlorene Minuten oder Stunden beim Aufstieg zur Hohen Salve. Den Schlußpunkt setzt am Sonntag der Pölventrail. Dieser Trail hat es in sich. Die 24km bei 1300 Höhenmetern machen deutlich was auf die Läufer zu kommt. Das Ganze geht über schmale, teils sehr steile Trails, die sehr glitschig werden können, wenn etwas Regen dazu kommt.

War man vor der Tour noch ein Energiebündel und konnte es kaum abwarten, dass endlich der Startschuß fällt, so sieht das Bild Sonntag Abend komplett verdreht aus. Was aber dazu kommt, ist der Stolz und die Genugtung es geschafft zu haben. Dieses Gefühl ist einfach einzigartig.

Die finale Vorbereitung zur Tour begann im Juli unweit der Hohen Salve. Während der ersten Bergkilomter des Jahres hatte ich stets das Ziel des Kaisermarathons im Auge und somit genug Motivation die harte Trainingszeit anzugehen. 

Der Berlin Marathon – 3 Wochen vor der Tour – war trainingsmethodisch ganz sicher nicht das, was man empfehlenswert nennt. Ganz im Gegenteil. Ein harter Stadtmarathon zieht meist eine lange Regenerationszeit nach sich. Auch bei mir. Und so war das eigentliche Training zur Tour auch schon 4 Wochen davor beendet. Der Rest war nur noch Regeneration und Formerhalt. Nicht optimal, aber das zehnte Finish in Berlin hat mir für die nächsten Jahre einen Platz im Jubilee-Club und eine eigene Startnummer auf Lebenszeit gesichert. Das war es mir wert.

Die Saison lief bislang fast ohne Verletzungssorgen, so dass ein durchgängiges Training möglich war. das wiederum war die Voraussetzung für eine sehr gute Grundlagenausdauer. Von dem her war eigentlich alles im grünen Bereich für das Highlight der Saison – Tour de Tirol – mein insgesamt siebenter Start. 

 

Tour de Tirol

Die Tour de Tirol bildete in diesem Jahr den krönenden Abschluss einer sehr langen und abwechslungsreichen Saison. Der Fokus lag Ende August natürlich klar auf meiner ersten Triathlon Langdistanz.

Dafür ging ich erstmals nach vielen Jahren des reinen Lauftrainings völlig neue Wege. Die Laufumfänge (musste) ich deutlich reduzieren, dafür gab es mit dem Schwimmen und Radfahren neue Betätigungsfelder. Insgesamt war der Trainingsaufwand größer als in den Jahren zuvor, die Verletzungsanfälligkeit jedoch geringer, da die Monotonie des (Nur-)Laufens beim Triathlon in den Hintergrund gedrängt wird. Dennoch schleppte ich eine Reizung der Achillessehne durch die ganze Saison, was das Lauftraining noch mehr einschränkte.

So ging es Anfang Oktober mit einiger Skepsis zur Laufform in Richtung zweite Heimat. Die Tour de Tirol stand zum 5-ten Mal für mich an. Die Veranstaltung ist und bleibt einzigartig, obwohl andere Veranstalter neuerdings versuchen das Konzept zu kopieren und ebenfalls mit 3-Tages-Laufveranstaltungen an den Start gehen. Besonders schön war in diesem Jahr, dass sich über Jolsport Berlin mehr als 20 gleichgesinnte Lauf-Freunde angemeldet hatten und mit nach Tirol kamen. Und so wurde es wieder ein unvergessliches Wochenende am Wilden Kaiser.

Traditionsgemäß startet die Tour am Freitag mit dem recht anspruchsvollen Söller Zehner. Eine 3,33km lange Schleife gilt es 3x zu durchlaufen. Die 85 Höhenmeter je Runde haben es in sich. Wer hier schon an seine Grenzen geht, hat am Samstag und Sonntag ziemlich schlechte Karten, wenn es so richtig zur Sache geht.

Es gibt viele Wiederholungstäter, die dem Mythos Tour de Tirol verfallen sind. Jahr für Jahr blickt man beim Start immer wieder in bekannte Gesichter. Und so vergehen die letzten Stunden vor dem Start am Freitag immer recht schnell. Pünktlich 18 Uhr erfolgte auch in diesem Jahr wieder der Start.

Die Streckenführung hatte sich bedingt durch die Verlegung des Start- und Zielgebietes im Vergleich zu den Vorjahren etwas verändert und ein paar extra Höhenmeter kam so auch noch dazu.

Die Qualität innerhalb des Läuferfeldes ist in jedem Jahr sehr hoch. Und so geht auch ab der ersten Sekunde sofort ordentlich die Post ab. Ich lief das Rennen  sehr optimistisch an und hatte ein gutes Gefühl in den Beinen. Das änderte sich auch in den folgenden beiden Runden nicht großartig. Nach 41:18min war der Auftakt für mich beendet. In Anbetracht der 255 Höhenmeter eine ganz ordentliche Zeit. Viel wichtiger war jedoch, dass ich ein durchweg gutes Gefühl hatte und das Rennen kontrolliert hinter mich gebracht hatte. Nach Tag 1 bedeutete dies Platz 8 in der Altersklasse M45. Ein Platz unter den Top 10 der Altersklasse zum Abschluss das wäre was, also war das Ziel für die kommenden zwei Tage klar…

Ein Blick aus dem Fenster am Morgen des folgenden Tages brachte erst mal nicht viel. Frühnebel lag im Tal und von Bergen weit und breit nichts zu sehen. Das änderte sich jedoch schlagartig zum Start, die Sonne hat auch im Oktober noch ordentlich Kraft und löste den Dunst vollständig auf. Was folgte war ein herrlicher Spätsommertag im Frühherbst.

Der Kaisermarathon mit seinem Höhenprofil bringt jeden Läufer an seine Grenzen. Anders als bei einem reinen Berglauf geht es nicht nur bergauf. Den 2200 Hm bergauf stehen auch 700 Hm bergab gegenüber. Die Oberschenkel- und Wadenmuskulatur wird von allen Seiten gefordert. Grundsätzlich gilt – es ist leichter einen Marathon im Flachen unter 3 Stunden zu laufen als den Kaisermarathon unter 4 Stunden zu beenden. Anders als in den Vorjahren ging ich mit deutlich weniger Laufvorbereitung in diesen Marathon.

Auf den ersten 21km geht es recht moderat am Fuße des Wilden Kaisers entlang Richtung Ellmau. Flach bedeutet in den Bergen ungefähr 400 Hm:-) Danach zeigt sich ob man ausreichend trainiert hat und auf der ersten Hälfte nicht sein gesamtes Pulver verschossen hat. Zum Halbmarathon hat man zwar kilometermäßig die Hälfte geschafft, zeitlich jedoch gerade einmal 30-40%. Ich ging den Marathon zügig aber keinesfalls zu schnell an. Der Läufer spricht von Wohlfühltempo im GA2 Bereich. Also alles unter Kontrolle. Nach ca. 1:35h war die Halbmarathonmarke passiert.

Was folgt ist ein langer Anstieg hinauf zum Hartkaiser. Knapp 700 Hm türmen sich, auf gerade mal 5km Länge, vor den Läufern auf. Jetzt heißt es schnell den eigenen Lauf Rhythmus an das Profil der Strecke anpassen. Erstaunlicherweise fühlte ich mich nach den ersten 21km noch ziemlich frisch und auch die Beine hatten noch Lust. Also rein in den Berg. Bis auf einige wenige steile Abschnitte konnte ich den gesamten Anstieg durch laufen. Allein diese Tatsache gab genügend Selbstvertrauen für den Rest des Marathons.

Auf den nächsten Kilometern ging es recht „trailig“ auf und ab. Wieder ganz anders zu laufen – von Rhythmus keine Spur. Ständiger Wechsel von kurzen schnellen Schritten bergauf und langen Schritten bergab.

Nach ca. 30km geht es dann auf eine 5km lange „Abfahrt“. Ab hier fangen die Oberschenkel dann endgültig an zu brennen. Diese Bergab Passage lag mir noch nie. Es ist eine Frage der Körperhaltung und Technik wie man hier Geschwindigkeit macht oder eben sich selbst ausbremst.

Auch in diesem Jahr kamen wieder einige „Berggemsen“ den Berg herunter geschossen, die ich zuvor alle bergauf locker überholt hatte. Aber egal, letztendlich bereitet man sich bereits hier auf den finalen Schlussanstieg vor, der ab km 39 am Hexenwasser beginnt.

Ab hier geht es direkt auf die schwarze Piste der winterlichen Skistrecke, steil bergauf, ohne Serpentinen, einfach nur geradeaus und hoch.

Nachdem es mir auf den ersten 39km ziemlich gut ging, hatte ich für den Schlussanstieg mit 750Hm auf 3km Länge noch ein paar Reserven über. So schnell wie noch nie ging es diesmal hoch ins Ziel – ich konnte meinen persönlichen Rekord auf diesem Teilstück gleich um 2 Minuten drücken.

Nach 4:18:52h war der zweite Tag beendet. Das war ungefähr das, was ich mir im besten Falle vorher so vorgestellt hatte. In der Gesamtwertung ging es einen Platz nach hinten – Platz 9 – immer noch super.

Für den Abschlusstag gab es in diesem Jahr eine Neuerung. Anstatt des flachen Halbmarathons wie in den Vorjahren – wurde mit dem Pölven-Trail als 3. Etappe ein echter Knaller präsentiert. 23km um den Großen Pölven herum mit 1250 Höhenmetern bergauf und auch wieder bergab. Dieser Trail allein ist läuferisch unheimlich schwer und kräftezerrend. Mit „etwas Vorbelastung“ in den Beinen wird dies allerdings zur ultimativen Aufgabe.

Erstaunlicherweise fühlte ich mich auch am Sonntag Morgen noch ziemlich frisch. Nach einer kurzen Asphaltpassage zweigt die Strecke sofort ab ins Gelände und von ab geht es permanent hoch und runter auf schmalen Wegen. Der Lauf trägt zurecht das Label „Trail“. Landschaftlich wunderschön – läuferisch eine Herausforderung. Ich behalte den Lauf in guter Erinnerung. Es lief wirklich rund.

In der Gesamtwertung ging es noch einmal zwei Plätze nach vorn. Am Ende Platz 7 und bester Deutscher in der M45. Ein wirklich toller Abschluss der Saison 2014.

Es ist ein schönes Gefühl mit positiven Gedanken und ohne gravierende körperliche Blessuren in eine notwendige Regenerationspause zu gehen.

Darauf lässt sich im nächsten Jahr aufbauen. Egal wie das Jahr 2015 auch läuft, wenn ich gesund bin, werde ich auch zum 6. Mal die Tour de Tirol wieder unter die Füße nehmen – klarer Fall. Es gibt (für mich) nichts schöneres.

Mike Tilgner

Bilder: privat und sportograf.com